Denken und Fühlen – kognitive und emotionale Prozesse im Doing Science

Bei allem, was Menschen in der Wissenschaft tun, sind ihre Gefühle, ihr Denken, ihre Energie und alle ihre Sinne (Intuition!) beteiligt. Wichtige menschliche Aspekte in der täglichen Forschungsarbeit wie wechselnde emotionale und mentale Zustände (Neugier, Freude, Konzentration, Angst, Stress, Verwirrung) und das eigene biophysische Energielevel (hoch-niedrig) werden in der offiziellen Wissenschaft nicht thematisiert. Dabei können sie sich bei Nichtbeachtung negativ auf die persönliche Produktivität von Wissenschaftler*innen und die Innovationskraft wissenschaftlicher Arbeit auswirken.
Hier wird unseres Erachtens ein großes Potenzial, welches im bewussten Zusammenspiel emotionaler und kognitiver Prozesse in der persönlichen Selbststeuerung liegt, leider nicht wirklich genutzt.

Für die Selbstermächtigung, das Self-Empowerment von Menschen in der Wissenschaft, braucht es dementsprechend klares logisches Denken und die Kraft der Gefühle des Menschen! Große innovative Wissenschaft braucht selbstbewusste eigenständige Menschen, die in kontroversen Diskursen eigene Ideen und Analysen mutig einbringen. Und auch mal einen Konflikt riskieren, um die Sache voranzubringen –auch wenn sie mit einer neuen Idee mal alleine dastehen.

Vom patriarchalen Mythos „objektiver Wissenschaft“ zur Affektlogik

Der alte patriarchale Mythos einer „objektiven Wissenschaft“ möchte alles Menschliche, Persönliche, auch die Gefühle und Körperlichkeit der Forscher*innen eliminieren. Dies ist absolut kontraproduktiv, wie wir an Motivationsverlusten, Kommunikationsstörungen und Burnout von Menschen im Wissenschaftsbetrieb überdeutlich sehen können!

Wenn beispielsweise eine Forscherin in positiver innerer Ausrichtung Freude, Interesse und Neugier für ihre Forschung und die nächsten Schritte in sich fühlt, kommen ihre Forschungs- und Schreibarbeiten viel leichter in einem guten produktiven Fluss voran. Ihre positiven Gefühle und Energien sind Treiber für ihre wissenschaftliche Produktivität im Flow.

Wichtig ist hierbei die lebendige Verkörperung, das Embodiment, positiver innerer States und Prozesse.  Wenn ein Forscher beispielsweise intuitiv in sich fühlt und ahnend realisiert, was der nächste sinnvolle Schritt in einem komplexen Forschungsprozess sein könnte. Oder wenn in der Forschungsarbeit plötzlich ein Erkenntnissprung gelingt, indem ein komplexer Zusammenhang nach einigen Mühen endlich be-griffen wird. Das „Heureka!“ als inneres Evidenzerlebnis ist dann im ganzen Körper, in Kopf und Herz spürbar.

Wenn dagegen in negativer Gestimmtheit Angst, Sorgen, Stress oder zu viel Druck die innere Situation eines Menschen bestimmen, wird sein wissenschaftliches Arbeiten beschwerlich.
Dann geht die Motivation verloren – bis hin zu einer Arbeits-, Denk- oder Schreibblockade.

Um diesen fundamentalen sinnlichen Zusammenhang zwischen Gefühlen, Denk- und Lernprozessen im Menschen wusste bereits die Reformpädagogik bereits vor über 100 Jahren, und heute ist dies ein wertvolles Thema in der Motivationspsychologie und den Neurowissenschaften. Der Schweizer Psychiater und Systemforscher Luc Ciompi hat ein faszinierendes Modell der „Affektlogik“ entwickelt und zeigt in diesem das permanente dynamische Zusammenwirken von Fühlen, Denken und Verhalten beim Menschen auf. Optimal für eine erfüllende fließende menschliche Produktivität ist, wenn eine positive Synchronisierung und vernetzte gemeinsame Ausrichtung von Denken, Fühlen und Handeln gelingt. Ansonsten können Störungen oder Blockaden auftreten.

Die Klärung von Glaubenssätzen bzw. negativen Gedankenmustern

In diesem Zusammenhang ist hier für die produktive wissenschaftliche Arbeit die innere Klärungsarbeit der Menschen bezüglich ihrer Glaubenssätze und Gefühle sehr wichtig.
Welches persönliche (und kollektive?) Mindset beeinflusst meine tägliche Arbeit in welcher Weise (+/-)?

Viele Menschen produzieren sich mit negativen, wenig bewusst bemerkten Gedankenmustern (z. B. permanente Sorgengedanken über Qualität und Fortschritt des eigenen Projekts, innere Kritikerstimmen) Ängste und eine gedrückte Energie. So stellen sie selbst(!) sich einen negativen Zustand der Demotivation her. Sie hemmen mit negativen Gedankenmustern den natürlichen freudvollen Fluss ihrer persönlichen Produktivität, was sehr bedauerlich doch änderbar ist!

In der Lösung dieses Problems geht es darum, die eigenen negativen Gedankenmuster und Glaubenssätze ins Licht des Bewusstseins zu bringen. Dann können diese in eine positive Grundhaltung transformiert werden, die die eigene Schöpferkraft adressiert und neue Wege für Schaffensfreude und persönliche Produktivität eröffnet.

Wie gesagt, die eigenen Glaubenssätze bzw. Denk-, Fühl- und Handlungsmuster haben einen massiven energetischen Einfluss auf die Bahnung und Schaffung der eigenen persönlichen REALITÄT – und zwar in ihren positiven oder negativen Varianten. Worte, Sätze, die wie ein Mantra im Inneren eines Menschen wiederkehren, sind wirkmächtige In-formationen. Sie formieren wie eine Selffulfilling Prophecy die eigene Wirklichkeit. Und sie können gute Möglichkeitsräume eröffnen oder das eigene innere Gefängnis manifestieren!

Indem wir unsere negativen Glaubenssätze/Gedankenmuster bewusst reflektieren und transformieren und unser Leben und Handeln konsequent an positiven förderlichen Glaubenssätze orientieren, können wir einen immensen positiven Einfluss auf unsere Lebens- und Arbeitswirklichkeit nehmen.

Kritik der positiven Psychologie

Kritisch möchte ich hier anmerken, dass eine oberflächliche positive Psychologie hier zu kurz greift, die glaubt, positive Affirmationen („Du schaffst das!“) seien ausreichend. Denn negative, die eigene Schöpferkraft des Menschen hemmende Glaubenssätze haben sich oft über Jahre ins gewohnte alltägliche Denken, Fühlen und Verhalten bis in das Körpersystem mit seinen Zellen, die Körperhaltung und alle bioenergetischen Prozesse eingegraben. Sie drücken und begrenzen den Menschen in seinem freien Vermögen zu handeln.
Hintergründe derartiger beschwerlicher Glaubenssätze können familiäre Prägungserfahrungen und auch soziale Prägungen des Herkunftsmilieus sein, die den Selbstwert unterminieren. Beispielsweise hat eine Studentin aus einer Arbeiterfamilie wenig Selbstvertrauen in der akademischen Welt der Wissenschaft. Sie fühlt sich irgendwie fremd im Studium an einer Universität in der Welt des Homo academicus (Bourdieu) und nicht zugehörig.
Auch hier bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes, um tiefsitzende Glaubenssätze auch in ihrer Verkörperung (Embodiment) zu erreichen und positiv zu verändern.

Klärung und Akzeptanz von Gefühlen in der Forschungsarbeit

Wissenschaft ist Arbeit an und in Komplexität. In dieser mit all ihren Unsicherheiten können sich Forschende allzu leicht verlieren. Dies kann zu Störungen der persönlichen Produktivität führen.
Umso wichtiger ist immer wieder die aktive bewusste Selbstzentrierung und innere Ausrichtung der Forschenden in ihren Arbeitsprozessen. Das heißt, wahrzunehmen, was gerade wirklich (dran) ist, wo es hakt, und welche positiven inneren Ressourcen genutzt werden können, um wieder in einen produktiven Fluss zu kommen.

Wenn beispielsweise der Denkprozess in eine Sackgasse geraten ist und die eigene Arbeit nicht mehr produktiv, sondern mühsam ist, kann es hilfreich sein die quälende Gedankenmühle zu verlassen. Stattdessen kann ich mich als Forscher*in tief fragen: „Was würde ich jetzt FÜHLEN, wenn ich diesen Gedanken nicht hätte?“
Vielleicht entdeckt die gerade mal wieder zu selbstkritische Forscherin dabei eine pure Schaffens- und Forschungsfreude und viel Vorwärtsenergie in sich. Diese inneren Ressourcen können ihr helfen, wieder in einen schönen Flow des Forschens und Schreibens zu kommen.
So verlieren die drückenden Bewertungsgedanken der innerer Kritikerin ihre negative Macht.
Eine andere Forscherin entdeckt Gefühle der Unsicherheit in sich, weil sie mit ihrem aktuellen Kapitel Neuland betritt. Sie kann in guter empathischer Verbindung mit sich dieses Gefühl in sich annehmend und mitnehmend produktiv weitergehen mit ihrem Schaffens- und Schreibprozess.

Produktives Zusammenspiel von Gedanken und Gefühlen in der Arbeit mit Komplexität

Durch eine bewusste Wahrnehmung unserer inneren Prozesse können wieder Klarheit, Wahrheit und Ausrichtung einkehren – im Fühlen und im Denken. Die Klarheit und Echtheit der Gefühle und die Klarheit der Gedanken korrespondieren – und ermöglichen eine schöne persönliche Produktivität!

Optimal ist, wenn die Gedanken und Gefühle eines Menschen in einer lichtvollen klaren inneren Ausrichtung positiv zusammenarbeiten. Zum Beispiel wenn wir während unserer Forschungsarbeit Schaffensfreude erleben, die mit einem fließenden inspirierenden Denken einhergeht.

Erwähnen möchte ich noch, dass es auch in der Begleitung von komplexen persönlichen Entscheidungsprozessen von Menschen in unterschiedlichen Arbeits- und Lebenssituationen wichtig ist, einen ganzheitlichen Beratungsansatz zu wählen.
Denn die Neurowissenschaften und die Psychologie zeigen uns, wie die Kraft und Macht der Gefühle und Emotionen menschliche Entscheidungen dominiert, auch wenn der Mensch glaubt mit seinem rationalen Verstand gute Argumente und die Kontrolle zu haben – sei es bei der Entscheidung für einen Wechsel des Arbeitsplatzes oder des Partners.
Häufig rationalisieren, begründen Menschen ihre Entscheidungen im Rückblick. Sie erfinden eine glaubhafte sinnvolle Geschichte, die kausal erläutert, warum sie so entschieden und gehandelt haben. Doch die wirklichen inneren Entscheider sind i. d. R. emotionale Motive, die dem Menschen selber nicht bewusst sind.

Gute tragfähige stimmige Entscheidungen werden daher immer in ganzheitlicher Einbeziehung und gemeinsamer Ausrichtung von Kopf, Herz und Bauchgefühl des Menschen gefunden, wobei ein adäquater Coachingprozess dies unterstützen kann.